Die Geschichte der Pocken in Halle nach 1800

 

Ich würde an dieser Stelle sehr gerne die logische Schlussfolgerung aus dem Berichteten ziehen. Wie zum Beispiel: Das hohe Bedrohungspotential und die Überzeugung der Ärzteschaft führten zu einer großen Impfkampagne, die von der preußischen Regierung unterstützt zu einem schnellen Erfolg bei der Bekämpfung der Pocken führte.

 

Allerdings sprechen die realen Daten eine andere Sprache [1]. Es hat gedauert. 1806 gibt es einen erneuten Ausbruch (330 Todesfälle), 1810-1812 führt die Krankheit über 3 Jahre zu insgesamt 150 Todesfällen, 1832 sterben noch einmal 78 Kinder an den Pocken.

 

Die Vorsorge kommt nur langsam voran. Auch in den folgenden Jahren wird es in Halle Impfungen gegen die Pocken geben. So wird es für Kinder in Arbeitshäusern oder später in Kinder-Bewahranstalten eine Pflicht zur Impfung geben. In den folgenden Jahre wird es allerdings schwierig bleiben eine umfängliche Impfung durchzusetzen. Der Krieg kommt auch nach Halle und er nimmt nicht nur das Leben vieler Menschen mit sich, sondern lässt auch eine vollständig verarmte Stadt zurück. Zudem werden auch viele Ärzte ihr Leben durch Ansteckung in den Kriegs-Lazaretten verlieren.

 

Die Pocken werden in Halle mit immer größeren Abständen bis 1832 immer wieder auftreten. Die vielen Toten des Jahres 1800 werden von dieser Krankheit allerdings nicht mehr gefordert. Eine andere Krankheit findet aus Asien seinen Weg  nach Europa die Cholera. Sie wird ein erstes Mal 1832 und ein zweites mal 1848 bis 1850 zu sehr großen Verlusten führen. Die Stadt und ihre Bevölkerung stellt sich diesen Epidemien mit sehr viel Kraft entgegen. Die Bereitschaft zu Spenden ist groß. Es werden Suppenküchen gegründet, die Verteilung von Brennstoff und Bekleidung wird betrieben, eine Kasse zur Versorgung von Waisenkindern wird eingerichtet.

 

[1] Dr F. von Bärensprung, Ueber die Folge und den Verlauf epidemischer Krankheiten. Beobachtungen aus der medizinischen Geschichte und Statistik der Stadt Halle, Halle Verlag H.W. Schmidt 1854, Seite 30 ff

 

1886 28.03  Le Journal Illustre S.98
1886 28.03 Le Journal Illustre S.98

 

....Heute

 

Auch mit der modernen Pockenimpfung brauchte es noch weitere 170 Jahre um die Krankheit in Gänze zu besiegen. Die Krankheit forderte insgesamt 60 Mill Tote allein in Europa.

 

Die letzten Pocken in Deutschland:

 

Im Dezember 1961 kam das Pockenvirus über einen deutschen Monteur, der von einer Dienstreise aus Indien kam in die Eifel nach Lammersdorf. Im Jahre 1970 schleppte ein Elektriker die Pocken aus Pakistan ins Sauerland in den Ort Hürtgenwald ein. Mit drastischen Mitteln, Schulschließungen, Quarantäne und Ortsabsperrungen wurde die Epidemie örtlich eingegrenzt. Dennoch gab es zahlreiche Erkrankungen und auch Todesfälle. 1972 wurde ein letzter Pockenfall in Stolzenau bei Hannover registriert. Eine Isolierung des Patienten verhinderte weitere Ansteckungen. [Steffen Kopetzky, Die Attacke der gefährlichen Pocken, Spiegel.online vom 26.03.2020]

 

Die letzte Pockenepidemie ist 1977 in Somalia aufgetreten, heute gibt es noch mehrere Reagenzgläser mit Pockenviren in Nowosibirsk in Russland und in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia, streng militärisch bewacht. Die WHO berät in Abständen auf Tagungen über ihre endgültige Vernichtung [aus einer Meldung des Spiegel vom 25. Mai 1016]. 

 

Der Spiegel hat am 21.08.2016 den Tod des Mannes gemeldet der die Pocken letztendlich ausgerottet hat, weltweit. Der amerikanische Arzt Donald Henderson war maßgeblich an der Durchführung einer weltweiten Impfkampagne verantwortlich. 1966 wurde er von der WHO beauftragt diese Kampagne zu führen. Dieses Ziel hat er gegen zahlreiche Widrigkeiten mitten in Zeiten des kalten Krieges verfolgt. Er starb nach Angaben der Universität Pittsburgh am Freitag den 19.08.2016 im Alter von 87 Jahren in Baltimore.